Die Stiftung für Zukunftsfragen, eine Initiative von British American Tobacco, hat Mitte Februar die Ergebnisse ihrer Tourismusanalyse 2021 vorgestellt.
Die Auswirkungen der weltweiten Corona-Pandemie prägten das abgelaufene Reisejahr. Nur noch 37 Prozent der Bundesbürger – und damit rund 40 Prozent weniger als noch 2019 – sind 2020 wenigstens 5 Tage verreist. In der modernen Geschichte des Reisens hat es einen solchen Einbruch noch nicht gegeben, selbst zu Zeiten der Golfkriege, der Terroranschläge am 11. September oder der Wirtschafts- und Finanzkrise verreiste stets die Mehrheit der Bundesbürger.
Für die Studie wurden 3.000 Personen ab 18 Jahren in repräsentativen Interviews zu ihrem Reiseverhalten befragt.
Vor zwölf Monaten war die Welt des Reisens noch in Ordnung. Zwar gab es erste Berichte über ein neues Virus in China, aber die meisten Bundesbürger planten und buchten trotzdem ihren Urlaub. Im Laufe weniger Wochen ging es dann sehr schnell: Berichte über das Coronavirus bestimmten die Schlagzeilen, die Unsicherheit stieg, Buchungen wurden storniert, Grenzen geschlossen, Einreiseverbote verhängt und Rückholaktionen gestartet. Ende April sprach das Auswärtige Amt dann eine weltweite Reisewarnung aus und appellierte an die Bundesbürger, zuhause zu bleiben.
Erst im Juni wurden diese Einschränkungen dann teilweise wieder aufgehoben und die Hoffnung auf einen halbwegs normalen Sommerurlaub stieg. Während ausländische Destinationen versuchten, mit Rabatten und zusätzlichen Schutzmaßnahmen (z.B. Maskenpflicht im Flugzeug und zahlreichen Einrichtungen, strenge Hygieneregeln) deutsche Urlauber zu gewinnen, waren zahlreiche inländische Hotels bereits restlos ausgebucht.
Im Spätsommer kündigte sich jedoch die zweite Welle an und Diskussionen über Beherbergungs- und Reiseverbote wurden schnell Wirklichkeit.
All dies prägte das Reisejahr 2020 und entsprechend zurückhaltend zeigten sich die Bundesbürger beim Thema Reisen. Nur gut jeder Dritte (37%) war 2020 wenigstens fünf Tage im Urlaub. Im Vergleich zum Vorjahr ist dies ein Rückgang um rund 40 Prozent (2019: 61%).
Über die Hälfte aller Urlaubsreisen fand 2020 in Deutschland statt – so viele wie zuletzt in den 1970er Jahren. Allerdings war die Anzahl der Reisenden insgesamt geringer, sodass die Anzahl der Ankünfte in Deutschland in etwa gleichblieb. Betrachtet man allein die Marktanteile, so wuchs der Anteil an Inlandsreisenden – im Vergleich zum Vorjahr – um über 20 Prozentpunkte auf 56 Prozent. Bayern, Niedersachen und Baden-Württemberg konnten ihre Marktanteile dabei jeweils in etwa verdoppeln.
Neben den traditionellen Ferien-Bundesländern im Norden und Süden des Landes wurden 2020 auch andere Feriengebiete massenhaft besucht. So verbrachten beispielsweise doppelt so viele Bundesbürger ihren Haupturlaub in Rheinland-Pfalz, Nordrhein-Westfalen oder Sachsen wie in der Türkei. In Brandenburg waren mehr Urlauber als in Kroatien und in Hamburg urlaubten genauso viele wie in ganz Frankreich.
Erstmals seit etwa 50 Jahren war Österreich wieder das beliebteste Auslandsreiseziel der Bundesbürger. Genau wie Anfang der 1970er Jahre folgten Italien und Spanien auf den nächsten Plätzen.
Im 10-Jahres-Vergleich zeigt sich ein uneinheitliches Bild: Während Flugreiseziele wie Spanien und die Türkei nur noch einen Bruchteil ihrer Gäste willkommen heißen konnten, war der Rückgang in Italien, Frankreich oder Kroatien nicht ganz so hoch. Ein wesentlicher Grund hierfür war die Möglichkeit, diese Feriengebiete mit dem eigenen Auto erreichen zu können sowie unterschiedliche Reisewarnungen.
Entgegen dem allgemeinen Trend konnten Skandinavien, Polen, Österreich, die Benelux-Staaten sowie Griechenland ihre Marktanteile bei deutschen Urlaubern erhöhen – wenn auch auf einem niedrigeren Gesamtniveau. Hauptgründe hierfür waren die relativ kurze Anreise sowie eine – zumindest gefühlt – geringere Unsicherheit.
Der Wert für Griechenland hingegen erklärt sich mit der Sondersituation vor zehn Jahren: 2010 führte die Griechenlandkrise zu einem massiven Einbruch bei den Touristenzahlen, die deutlich unter dem Niveau der Vorjahre lagen.
Nach dem Rekordjahr 2019 folgte für den Fernreisemarkt ein fast schon dramatischer Absturz im Jahr 2020. Lediglich jeder 15. Urlauber wählte noch eine Feriendestination außerhalb Europas. Urlaubsreisen nach Afrika oder Amerika fanden 2020 fast überhaupt nicht statt. So sank z. B. der Anteil deutscher Urlauber, die in die USA und Kanada, nach Ägypten und Tunesien reisten, um jeweils rund 80 Prozent und auch die Inselparadiese in der Karibik wurden deutlich seltener angeflogen.
Reinhardt: „Im Jahresvergleich muss weit zurückgeschaut werden, um einen so geringen Fernreiseanteil zu finden. Zuletzt verreisten Anfang der 1990er Jahre so wenige Bundesbürger außerhalb der europäischen Grenzen“.
Keine 10 Tage waren die Bundesbürger durchschnittlich in ihrem Haupturlaub 2020 unterwegs. Im Langzeit-Jahresvergleich zeigt sich eine Reduzierung des Urlaubs um etwa 2 Tage pro Jahrzehnt. So dauerte ein Urlaub Anfang der 1980er Jahre noch über 18 Tage, in den 90er Jahren waren es über 16 Tage, um die Jahrtausendwende keine 15 Tage mehr und vor zehn Jahren noch gut 12 Tage. Allerdings stabilisierte sich die Reisedauer im letzten Jahrzehnt zwischen 11 und 12 Tagen. Dieses macht Hoffnung auf eine längere Vorortzeit nach dem Ende der Pandemie. Entsprechend lautet für das Jahr 2025 die Prognose 11,5 Urlaubstage im Durchschnitt.
Im Vergleich zum Vorjahr wurde in fast alle Destinationen kürzer verreist – wobei die Unterschiede groß blieben. So dauerte ein Urlaub im Inland mit gut 8 Tagen nicht einmal halb so lang wie eine Fernreise mit fast 17 Tagen. Innerhalb Europas stieg mit der Entfernung fast auch immer die Verweildauer. So blieben die Gäste in Griechenland durchschnittlich 13 Tage, in Österreich dagegen etwa 4 Tage weniger.
Vor zehn Jahren kostete ein Urlaubstag im Durchschnitt 76 Euro. Im letzten Jahr waren es mit über 100 Euro rund ein Viertel mehr und gleichzeitig mehr als jemals zuvor. Allerdings reduzierten sich die Gesamtkosten durch die verkürzte Reisedauer, sodass ein Urlaub letztendlich mit 996 Euro sogar deutlich günstiger war als noch 2019 (1.208€). In diesen knapp 1.000 Euro pro Person waren neben den Unterkunfts-, Verpflegungs- und Transportausgaben auch alle weiteren Kosten inkludiert, von Eintritten über Souvenirs bis hin zu Trinkgeldern.
Bei einem Vergleich der Tageskosten zeigen sich zahlreiche Unterschiede. So bleibt eine Fernreise die teuerste Art zu reisen. Allerdings waren die Tageskosten 2020 günstiger als in den letzten Jahren. Der Grund hierfür ist der Preiskampf der Reiseveranstalter, die über Angebote und niedrige Preise versuchten, ihre Bettenkapazitäten zumindest noch zu Teilen zu füllen.
Im Gegensatz dazu stiegen die Tageskosten im Inland recht deutlich. Erstmals lagen diese mit 99 Euro sogar knapp über den Durchschnittskosten für einen Auslandsurlaub innerhalb Europas. Hoteliers und Reiseveranstalter, Restaurants und Betriebe profitierten von der Alternativlosigkeit vieler Urlauber und versuchten so, die Ausfälle in anderen Monaten zu kompensieren.
Innerhalb Europas variierten die Preise ebenfalls stark. Am preiswertesten war ein Urlaubstag in Polen, aber auch in Skandinavien reisten die Bürger recht günstig. Spanien dagegen kostete deutlich mehr pro Tag und teilweise sogar mehr als Fernreisedestinationen.
Auch hinsichtlich der soziodemografischen Merkmale zeichneten sich Unterschiede ab: So gaben kinderlose Paare (122 € pro Tag) und Familien (111 €) am meisten aus, während Singles deutlich günstiger verreisten (89 €). Besserverdiener gaben doppelt soviel aus wie Geringverdiener, und Ostdeutsche etwa 10 Euro pro Tag mehr als Westdeutsche, blieben aber auch einen Tag weniger vor Ort.
Derzeit ist völlig offen, wann Hotels wieder öffnen, Reisewarnungen aufgehoben und Flugzeuge wieder abheben werden. Auch welche Voraussetzungen notwendig sein werden, um überhaupt verreisen zu können, steht nicht fest – von negativen Corona-Tests über Impfnachweise bis hin zu Quarantäneaufenthalten.
Und wenn endlich wieder die Koffer gepackt werden können, wie wird der Urlaub vor Ort dann wohl aussehen? Maskenpflicht am Strand und Pool? Keine Buffets und Barbesuche? Zimmerservice nur einmalig vor der Anreise und Temperaturkontrollen in Geschäften, Museen und Freizeiteinrichtungen? Wie wird es mit Geselligkeit, Flirts, gemeinsamen Feiern oder Ausflügen weitergehen?
Und mit welchem Gefühl werden die Reisenden unterwegs sein? In ständiger Angst, sich zu infizieren, krank zu werden oder gar ärztliche Hilfe zu benötigen? Oder aber wird mit weniger Infizierten, flächendeckenden Impfungen und besserem Wetter die Unbeschwertheit zurückkehren und die Vergangenheit vergessen und verdrängt werden, so wie nach Terrorabschlägen, Naturkatastrophen oder sonstigen Krisen?
Fest steht: Derzeit ist kaum absehbar wann und wie 2021 verreist werden kann. Dennoch plant bereits jetzt fast die Hälfte der Bundesbürger dieses Jahr in den Urlaub zu fahren. Jeder Fünfte möchte sogar mehrmals die Koffer packen. Ein Drittel ist noch unentschlossen und wartet die Entwicklung weiterhin ab. Sich sicher dieses Jahr nicht zu verreisen, ist dagegen lediglich ein knappes Viertel der Bevölkerung.
Bei der Auswahl der Reiseziele setzen die meisten Bürger auf Sicherheit und planen einen Urlaub im Inland. Diese Einstellung wird auch 2021 dazu führen, dass die Gebiete zwischen den Küsten im Norden und Bergen im Süden erneut die beliebtesten Reiseziele sein werden.
Jeder Achte geht dagegen von weitreichender Reisefreiheit aus und plant eine Fernreise.
Wenn die Bundesbürger endlich wieder bedenkenlos verreisen können, wollen gut drei Viertel von ihnen im Urlaub vor allem Zeit mit der Familie und den Freunden verbringen. Das Zusammensein mit ihnen haben sie mehr vermisst als das unterwegs sein an sich.
Auch können sich zwei Drittel der Bundesbürger vorstellen, kürzere Strecken wiederzuentdecken, anstatt weite Reisen zu machen. Dieses könnte einerseits eine große Chance für Inlandsziele sein, anderseits auch eine Antwort auf steigende Preise; schließlich gehen 77 Prozent der Bürger davon aus, dass Urlaub nach dem Ende der Pandemie teurer sein wird.
Als Ausblick hält Reinhardt fest: „Die Bürger hoffen auf die Rückkehr der Normalität. Sie sehnen sich nach einem unbeschwerten Urlaub am Strand oder den Bergen und wollen endlich wieder unterwegs sein.“
Technische Daten der 37. Deutschen Tourismusanalyse 2021
Anzahl und Repräsentanz der Befragten: 3.000 Personen ab 18 Jahren in Deutschland
Befragungszeitraum: Dezember 2020 / Januar 2021
Befragungsinstitut: GfK Marktforschung/Nürnberg